02/04/2016
Von der Geburt des wundersamen Kinds bis zu Schloß Frohsdorf (Österreich).
Was für ein schöner Tag, dieser 8. Juli 1815 war ! Ludwig XVIII kehrte in sein Königreich zurück und das Volk bejubelte seinen Namen, als ob er die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wäre. Noch war nichts verloren; der König war da und war König; das war alles.
In ein paar Jahren würde der Fremde bezahlt sein und das Land verlassen, Wohlstand kehrte wieder ein, Handel und Gewerbe nahmen von neuem Aufschwung. Alles sah nach einer glücklichen Zukunft von langer Dauer aus.
Doch da zog plötzlich Betroffenheit übers Land; am 13. Jänner 1820 wurde der Herzog von Berry, Sohn des künftigen Königs Karl X und Thronerbe der königlichen Familie von Louis Louvel, einem fanatischen Bonapartisten ermordet.
War die Nachfolge Ludwigs XV dem Untergang geweiht ? Auf seinem Grabmal leuchtete die hoffnungsvolle Inschrift: « Meine Freundin , hatte der unglückliche Prinz unter Tränen zu seiner Gemahlin gesagt, schonen Sie sich um des Kindes willen, das Sie unterm Herzen tragen. » Das war nur ein schwacher Lichtstrahl inmitten der Dunkelheit, die letzte Hoffnung der Gesellschaft Frankreichs ! Gott gab, dass er sich nicht täuschte, und am 29. September 1820 wurde Heinrich-Karl Ferdinand Marie Dieudonné (Gotttesgeschenk) von Artois, Herzog von Bordeau bei « den Tuilerien » (Schloß) geboren. Die Dichter besangen ihn als Kind des Wunders.
Am Vorabend dachte die Herzogin von Berry noch nicht daran, dass ihre Stunde gekommen war, und entließ das ganze Hauspersonal in die Bettruhe. Aber kaum war es eingeschlafen, wachte es durch die folgenden Worte der Prinzessin auf : « Auf, auf ! Es ist keine Zeit zu verlieren. » Sie kamen alle herbeigelaufen und eine von ihnen, Madame Bourgeois bekam das Kind zu fassen. « Was für ein Glück ! » rief die glückliche Mutter aus : « Es ist ein Junge, den schickt uns der Himmel. »
Um fünf Uhr früh ist Kanonendonner zu hören. Bei der Geburt einer Prinzessin sind es 12 Donnerschläge, und 24 bei der Geburt eines Prinzen. Im Nu ist ganz Paris trotz der frühen Stunde auf den Beinen. Königstreue und Revolutionäre, alles lauscht andächtig, die einen aus Hoffnung und Hinwendung, die andern aus Sorge und Hass. Die Pause zwischen zwölftem und dreizehntem Kanonenschlag war länger als die anderen, sodass viele Menschen die Furcht ergriff, die aber alsbald in Freude umschlug.
Am 1. Mai 1821 sollte die Taufe des wundersamen Kindes in der Notre-Dame Kirche stattfinden. Die Erziehung Heinrichs V begann gleichsam an der Wiege, und man achtete sorgsamst bis in alle Einzelheiten darauf. Nicht eine einzige Laune ließ man ihm durchgehen; nicht einen einzigen aufkommenden Fehler ließ man unkorrigiert stehen. Nur zu gern wollte man eines Tages die Tugenden eines heiligen Ludwig, eines Ludwig XII und Heinrich IV wiederer auf dem Thron sehen. Als seine Ausbildung in klassischen Fächern so gut wie beendet war, schickte man den Prinzen auf Reisen, damit seine militärische und politische Ausbildung abgeschlossen und ihm der Gebrauch von Fremdsprachen erleichtert würde…
Frohsdorf - Österreich
Im Jahr 1839 kaufte Johann-Kasimir, Herzog von Blacas und Aulps und Vertrauensmann Karls X um die Summe von 175.000 Florentinern aus seiner Privatschatulle Schloß und Grundbesitz von Frohsdorf und Pitten in Niederösterreich. In seinem Testament vermachte er das Gut Frohsdorf « der Gräfin von Marnes, Marie-Therese von Frankreich, als teilweise Rückerstattung für die Wohltaten, die ich von König Ludwig XVIII erhalten habe. »
Erst 1844 kurz nach dem Ableben seines Onkels, des Herzogs von Angouleme (Ludwig XIX – der genaugenommen nur zwanzig Minuten lang König war), nahm der Herzog von Bordeaux, der inzwischen zum Chef des Hauses der Bourbonen geworden war, auch offiziell den Titel Graf von Chambord an.
Es war auch in Frohsdorf, dass die königliche Familie während beinahe 40 Jahren, nämlich von 1844 bis 1883, dem Jahr in dem der Graf von Chambord starb, Wohnung nehmen würde, nachdem sie durch Ludwig-Philipp ihres Landes Frankreich verwiesen worden war. Bei diesem Aufenthalt konnte « der Hof » sich erstmals als ganzes an einem Ort niederlassen : der junge Prinz, seine Schwester, Prinzessin Luise-Marie, die zukünftige Herzogin von Parma und ihre Tante, die Herzogin von Angouleme, die man allgemein « die Königin » nannte konnten ihre Erinnerungen an ihre Geschichte sowie ihre königlichen Reliquien, die auf wunderbare Weise aus den Tuilerien gerettet worden waren und sie in ihr Exil begleiteten, in Verbindung mit unzähligen Geschenken, mit denen sie die der legitimen Monarchie Getreuen überhäuft hatten.
Die Fassade des Eingangs des Schlosses spannt sich über neun Säulenjoch, darüber befand sich eine beeindruckende Front, die die großen Waffen Frankreichs enthielten, die der Prinz gleich bei seiner Ankunft anbringen ließ; sie ward gestützt von zehn Pilastern unter einem zeltartigen Dach. Betritt man die Eingangshalle, wird man sogleich von einer imposanten Statue der heiligen Johanna von Orleans empfangen, die sich bis heute in einer Nische erhalten konnte. Dann kam man ins Vestibül, das in den Empfangssalon führte, der dann im Erdgeschoß geradewegs in den Südflügel und dann in den Park nach französischem Muster überging.
Der große oder rote Salon erhielt seinen Namen von den Stühlen mit roten Bezügen, die die Herzogein von Angouleme selbst durch petit point Stickereien schmückte. Hier hingen auch verschiedene historische Porträtbilder, wovon einige aus der Sammlung der Herzogen von Berry stammten.
Die Reihe der Salons endete mit dem grauen Salon, in dem Heinrich V am 24. August 1883 sein Leben aushauchte. Nach dem Tod des Prinzen wurde dieser Raum durch die Gräfin Chambord in ein Heiligtum umgewandelt. In diesen Salons lebten der Graf und die Gräfin Chambord mit ihren Neffen Bourbon-Parma, die sich ab 1864, dem Jahr in dem ihre Mutter starb, von da an zumeist in Frohsdorf aufhielten. Aber das Zimmer mit der bewegendsten Geschichte war zweifellos jenes, in dem die Herzogin von Angeouleme 1851 verstarb. Die Prinzessin bewahrte hier eine Reihe von religiösen Gegenständen zur Erinnerung an ihre schmerzvolle Gefangenschaft im Tempel in einem Reliquienschrank auf.
Die Kapelle befand sich im Nordflügel des Schlosses und war dem heiligen Johannes geweiht. Sie wurde im Jahr 1859 vom Grafen Chambord umgebaut und mit Pilastern aus rotem Marmor und weißem und goldenem Stuck geschmückt, gemischt mit Lilien und dem Heiligen Geist-Kreuz, während an der Zimmerdecke die Apotheose des heiligen Kaisers Heinrich mit den Zügen des Grafen Chambord im königlichen Mantel zu sehen war.
Leider verschonte der Zweite Weltkrieg auch das Schloß Frohsdorf nicht. Es wurde1941 zuerst durch die deutsche Wehrmacht beschlagnahmt, die es in ein Militärspital umwandelte, bevor man es im Jahr 1945 angesichts des Vormarsches der sowjetischen Truppen aufgeben musste. Es waren die russischen Soldaten, die die zahlreichen Bilder größerer Dimension mutwillig zerstörten, die bis dato am Wohnsitz erhalten geblieben waren, während man sie nunmehr verbrannte oder plünderte. Das Schloß wurde in der Folge aufgegeben und blieb zehn Jahre lang versperrt, bevor es schließlich 1955 der österreichischen Post übergeben wurde. Es wurde dann von 1961 bis 1968 einer gründlichen Restaurierung, die 72 Millionen Schilling kostete, unterzogen, bevor es zur Telekommunikationsausbildungsstätte wurde. Die Stukkaturen des Empfangssalons wurden minuziös wiederhergestellt, die Kapelle wurde vorbildlich restauriert, die Etagenwohnungen waren jedoch unwiederbringlich zerstört und wurden unterteilt in Sitzungssäle und Kammern umgewandelt.
2005 hat die österreichische Post das Schloß Frohsdorf einem Immobilienhändler, der es zu Luxus-Wohnungen umbauen wollte, verkauft, aber die Umbauten scheinen jetzt eingestellt worden zu sein, und das weitere Schicksal dieses historischen Wohnsitzes ist sehr ungewiss.
Ursprunglicher Text : Hier
(Übersetzung : Hoitsch-K)
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